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Hintergründe

Das bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus versagt der Klimaaktivistin Lisa Poettinger die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt (Referendariat), was faktisch einem Ausbildungs- und Berufsverbot gleichkommt. Nach jahrelangem Studium und einigen Zusatzqualifikationen soll Lisa nicht lehren dürfen. Wir sind schockiert und fordern die sofortige Rücknahme dieser Entscheidung!

Lisa hatte bereits 2015 mit dem Abitur eine Auszeichnung für besonderes ehrenamtliches Engagement durch ihren Einsatz für Geflüchtete erhalten. Die über die Jahre ihres Aktivismus gewachsene Erkenntnis, dass unendliches Wachstum auf einer Erde mit begrenzten Ressourcen nicht möglich ist, führte sie zum Offenen Antikapitalistischen Klimatreffen München. Dieses organisierte zum Beispiel eine Kampagne im von Armut betroffenen Münchner Viertel Hasenbergl gegen eine Autobahn durch Parks und Spielplätze oder Proteste gegen die Automobilmesse IAA. Das Klimatreffen strebt den Zusammenschluss von Beschäftigten und Klimabewegung und eine demokratisierte, bedürfnis- statt profitorientierte Wirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen an.

Deshalb wirft das bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus Lisa nun vor, eine Verfassungsfeindin zu sein, denn die Ablehnung des Kapitalismus sei zugleich eine Ablehnung der Demokratie. Dabei erklärte die Bundesregierung 2017 selbst: „Der Kapitalismus als Wirtschaftssystem ist nicht Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.“ [1] Wer Kapitalismus und Demokratie gleichsetzt, kann jegliche Proteste für verfassungswidrig erklären und kriminalisieren, die sich gegen die Profitmaximierung einiger weniger auf Kosten von Mensch und Natur richten.

Wegen Lisas (kapitalismus-)kritischer Haltung und zweier laufender, offener Ermittlungsverfahren soll es nun zum Ausbildungs- und Berufsverbot kommen. Eines der beiden Ermittlungsverfahren steht im Zusammenhang mit der Großdemonstration gegen die Zerstörung des Dorfes Lützerath für den Kohleabbau. Im anderen wird Lisa vorgeworfen, ein offensichtlich verfassungswidriges AfD-Plakat beschädigt zu haben. Verurteilt ist sie nicht, die in Deutschland grundsätzlich geltende Unschuldsvermutung wischt die Behörde beiseite. Währenddessen fordert der AfD-Politiker und Faschist Björn Höcke ein arisches Deutschland, massenhafte Deportationen, patriarchale Unterdrückung und einen „Aderlass“ der Gesellschaft [2]. Höcke hat weiterhin eine Lehrerlaubnis. Lisa soll sie verwehrt werden.

Wie jede andere Berufsgruppe auch, haben Lehrkräfte das Recht, privat politisch engagiert zu sein. Besonders an Schulen, an denen Kinder und Jugendliche in Demokratie, Kritikfähigkeit und Meinungsfreiheit erzogen werden sollen, sind politisch engagierte Lehrkräfte erforderlich, die diese Werte nicht nur vermitteln, sondern auch selbst vorleben. Es ist ihr Bildungsauftrag, unter Wahrung des Neutralitätsgebots und Indoktrinationsverbots zukünftige Generationen zur Mündigkeit zu erziehen. So hatte auch Lisa einen Sozialkundelehrer, der vormals CSU-Bürgermeister war und diese beiden Rollen zu trennen wusste. Kritik an der gesellschaftlichen Ordnung muss nicht nur erlaubt sein, sondern ist essentiell für die fortwährende Weiterentwicklung unseres Zusammenlebens. 

Quellen:
[1] Konformität von Antifaschismus und Antikapitalismus mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung https://dserver.bundestag.de/btd/19/003/1900351.pdf
[2] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-10/rechtsextremismus-bjoern-hoecke-afd-fluegel-rechte-gewalt-faschismus